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Naomi Zürcher – Arbor Aegis

Urban Forester und Consulting Arborist

Stadtgrün

Naomi Zürcher ist praktizierende Urban Forester und Consulting Arborist mit über 4 Jahrzehnten Berufserfahrung in ihrer Heimat New York und nun auch in der Schweiz. Ihre Arbeit umfasst das gesamte Spektrum der urbanen Forstplanung und -verwaltung, sowohl in der Praxis als auch in der angewandten Forschung. Sie war als Programmmanagerin, Gastdozentin, eingeladene (Co-)Autorin und Mitglied des i-Tree-Teams sowie anderer internationaler Netzwerke tätig.

Anmerkung der Redaktion: Auch wenn es deutsche Übersetzungen für Urban Forestry (Urbane Forstwirtschaft), Urban Forest (Stadt- oder Urbane Wälder), Urban Forester (Urban FörsterIn) und Arborist (BaumpflegerIn) gibt, haben wir in diesem Interview die englische Originalform beibehalten. Damit wollten wir verdeutlichen, dass es immer noch relevante Unterschiede in der Definition und im alltäglichen Sprachgebrauch von Fachleuten in den USA und im Vereinigten Königreich im Vergleich zu denen in der Schweiz und im deutschsprachigen Raum gibt, die zum Teil auf historische und kulturelle Unterschiede in der Entwicklung von Forstwirtschaft und Raum- oder Stadtplanung zurückzuführen sind.

1. In Ihren Worten: Was ist Urban Forestry, was soll damit erreicht werden und warum ist sie wichtig?

Um über die Urban Forestry diskutieren zu können, müssen wir zunächst verstehen, was Urban Forest ist. Ich habe ihn wie folgt definiert:

Urban Forests sind Ökosysteme, die durch das Vorhandensein von Bäumen und der mit ihnen verbundenen Flora, Pilzen und Fauna, die von ihnen bewohnten Böden und Landschaften sowie die Luft- und Wasserressourcen, mit denen sie koexistieren, gekennzeichnet sind, und zwar in dynamischer Verbindung mit den Menschen und ihren Siedlungen. (Zürcher, 2022. S. 22)

Urban Forestry ist ein spezialisierter Zweig der Forstwirtschaft. Es ist die Verschmelzung einer forstökologische Grundlage und eines interdisziplinären Ausdrucks von Kunst, Wissenschaft, Theorie und Praxis mit der Entwicklung und Umsetzung eines Managementplans mit hohem Fachwissen und kreativer Intuition.

Die Aufgabe der Urban Forestry – die ökologisch nachhaltige Planung und Bewirtschaftung des Ökosystems Urban Forest, wie oben definiert, für die dauerhafte Gesundheit und das Wohlbefinden ALLER belebten und unbelebten Elemente innerhalb des Ökosystems.

Die Kriterien für eine umfassende Verwaltung der städtischen Wälder für Bäume in städtischen Strassen und offenen Landschaften müssen Folgendes umfassen:

  • eine GPS/GIS-gestützte vollständige Bauminventur in Kombination mit einer Bewertung der Ökosystemleistungen (Anmerkung: GIS steht für Geographical Information System, eine Software, bei der Daten mit Karten und genauen geografischen Koordinaten verknüpft werden; GPS steht für Global Position System, ein Netzwerk von Satelliten in der Erdumlaufbahn, das genaue Positionsmarkierungen ermöglicht)
  • Planung und Gestaltung, wobei der Schwerpunkt auf der Verringerung von undurchlässigen Flächen und versiegelten Böden sowie der Verbesserung des Nahrungsnetzes im Boden liegt. Das Nahrungsnetz besteht aus mikrobiellen und wirbellosen Artengemeinschaften, die für den Kreislauf und das Recycling organischer Stoffe sorgen und den lebenden Bodenorganismus sowie ein funktionierendes Bodenmilieu schaffen, das das „Wood Wide Web» – ein Mykorrhizapilznetz – unterstützt;
  • Auswahl und Vorbereitung des Standorts auf der Grundlage von Kriterien des Waldökosystems, d. h. der waldgenetisch bedingten Grundbedürfnisse der Bäume;
  • Auswahl von Bäumen auf der Grundlage einer Standortanalyse in Verbindung mit Kriterien der besten Bewirtschaftungspraktiken (BMP, vom Englischen „Best Management Practices”), um sicherzustellen, dass die ausgewählten Bäume gesund sind, der arteigenen Baumstruktur entsprechen und dass kulturelle Praktiken in der Baumschule, die sich auf das Wohlbefinden auswirken, berücksichtigt wurden, z. B. die Anhäufung von Erde am Stamm des Baumes;
  • Pflanz- und Einrichtungsverfahren auf der Grundlage der geltenden BMP;
  • Baumpflege auf der Grundlage von Arboricultural BMP, einschliesslich Gehölzschnitt, Risikobewertung und Entfernung von Bäumen;
  • Schutz, Erhaltung und Bewahrung der städtischen Ökosystemressourcen, insbesondere der Bäume und der Böden und Landschaften, die sie bevölkern;
  • Entwicklung, Annahme und Umsetzung von Protokollen, Verfahren und Spezifikationen für das Bauen MIT Bäumen» (orig. «Building WITH Trees«), insbesondere im Zusammenhang mit Infrastrukturkonflikten: Bauprojekte, Gehwegreparaturen, Strassensanierungen…;
  • Kulturell inspirierte Programme zur Beteiligung der Bürger an wissenschaftlichen Untersuchungen und Möglichkeiten zur informierten Verwaltung, die Bürger mit Fachleuten zusammenbringen und eine informierte, handlungsfähige Beteiligung an allen geeigneten Aspekten der Verwaltung ermöglichen.
2. In Ihrem Buch Connecting Trees with people (S. 38) schreiben Sie: „Man kann den Baum aus dem Wald nehmen, aber niemals den Wald aus dem Baum«, um zu betonen, dass wir die Biologie der Bäume verstehen müssen, wenn wir wollen, dass sie in der städtischen Umwelt gedeihen. Was ist das Besondere – und die Herausforderung – an Bäumen in Städten?

Wir dürfen nie vergessen, dass unsere Stadtbäume Waldbäume bleiben. Ja, sie sind stadttolerant, aber sie benötigen immer noch die Befriedigung der Grundbedürfnisse, die die Stoffwechselprozesse und die daraus resultierenden Funktionen unterstützen. Allzu oft sehen diejenigen, die unsere Strassenlandschaften planen und gestalten, unsere Bäume nur als Ornamente zwischen den Gebäuden und nicht als das Leben zwischen den Gebäuden.

Sie laden selten diejenigen, die Baum sprechen, an den Planungs- und Gestaltungstisch ein, und so werden die wesentlichen Bedürfnisse nur selten angesprochen, was zu frühzeitigem Verfall, vorzeitigem Tod sowie zu einem erhöhten Wartungsaufwand führt, der die Probleme, die durch mangelhafte Planung, Auswahl, Pflanzung und Einrichtung entstehen, niemals lösen kann. Darüber hinaus untergraben wir die Ökosystemleistungen, die nur ein grosser, ausgereifter Baum erbringen kann, wenn wir den Pflanzort NICHT so anpassen, dass er grosse Baumkronen aufnehmen kann. Die grösste Herausforderung für das Wachstum eines stadttoleranten Waldbaums bis zur Reife ist das Fehlen eines angemessenen, zugänglichen Volumens an lebendigem Boden, was bei der Planung und Gestaltung des Standorts berücksichtigt werden muss.

Foto von Stadtbaum
Stadtbaum Platanus x hybrida – Carouge 07.2017. Bild: N. Zürcher
Foto von Stadtbaum
Stadtbaum Platanus x hybrida @ Ave Henri Dunant Geneva- 07.17. Bild: N. Zürcher
3. Sie haben viele Jahrzehnte lang und in verschiedenen Ländern als Urban Forester und beratende Arborist gearbeitet. Denken Sie, dass unsere Wahrnehmung von Bäumen und die Art und Weise, wie wir sie in das Stadtbild integrieren, sich stark verändert hat, seit Sie in diesem Bereich tätig sind?

Nicht so sehr, wie es der Wissensstand vermuten würde. Zum Beispiel gibt es meine Berufe hier in der Schweiz nicht. Und obwohl es ein Weiterbildungsprogramm gibt, werden die tiefgreifenden Aspekte, die den Werkzeugkasten der Best Management Practice (BMP) eines Urban Forest Praktikers ausmachen, nur kurz behandelt.

Bäume tragen alles, was sie erlebt haben und alles, was wir ihnen antun. Wenn Sie Baum sprechen, können Sie ihre Geschichte lesen. In der bebauten Umwelt ist die Geschichte selten eine glückliche. Die mangelnde Bereitschaft von Verwaltern, Planern, Architekten, Landschaftsarchitekten und Designern, sich an den „Kontrolltisch» zu setzen und diejenigen von uns einzubeziehen, die Baum sprechen, ist kurzsichtig und untergräbt unsere Fähigkeit, das Leben zwischen den Gebäuden zu erhalten. Die unprofessionellen und uninformierten Ausreden, dass „es zu viel kostet» oder „zu viel Zeit in Anspruch nimmt», ignorieren die vermiedenen Kosten für die erhöhte Wartung, die von Abteilungen durchgeführt werden muss, die traditionell unterfinanziert und personell unterbesetzt sind, sowie die daraus resultierende Verschwendung der Baumressourcen.

4. Interessanterweise argumentieren Sie, dass die Anpflanzung von Bäumen in Städten als Aufbau einer neuen Form von Ökosystemen zwischen Mensch und Natur betrachtet werden sollte. (Dies überschneidet sich mit den aktuellen Begriffen der grünen oder grün-blauen Infrastruktur, scheint aber mehr auf Bäume ausgerichtet zu sein). Worin bestehen Ihrer Meinung nach die grössten Herausforderungen, und worauf sollten wir unsere Bemühungen konzentrieren? Gibt es „niedrig hängende Früchte», also Lösungen, die leicht umgesetzt werden können und schnell einen positiven Effekt haben?

Die derzeitigen Überlegungen zur Schaffung oder Verbesserung unserer grünen und blauen Ressourcen (im Gegensatz zur Infrastruktur, die ein vom Menschen geschaffenes Konstrukt voraussetzt, was Bäume, Böden und Wasserressourcen nicht sind) sind gut gemeint, aber auch hier gilt: Wenn diejenigen von uns, die Bäume, Böden oder Wasser in ihrem natürlichen Kontext verstehen, nicht Teil des Dialogs sind, können die daraus resultierenden Initiativen kontraproduktiv sein. Wir verfügen über forschungsbasierte Fachkenntnisse, die in mehr als fünf Jahrzehnten entwickelt wurden und umsetzbare Strategien für die ökologische Integration grüner und blauer Ressourcen in städtischen Gebieten bieten, aber das erfordert eine informierte Stimme am Planungstisch.

5. Was sind für Sie die faszinierendsten Aspekte der Urban Forestry? Gibt es Lektionen, die Sie gerne hervorheben möchten?

Der faszinierendste Aspekt ist, wie viel mich Bäume, unabhängig von ihrer Art, über das Leben und wie man es lebt gelehrt haben, über Selbstmanagement und darüber, was es bedeutet, Zeuge von Ereignissen zu sein. Indem ich beobachte, wie sie funktionieren und wie sie auf Herausforderungen reagieren, die ihnen nicht nur von Menschen, sondern auch von ihrer Umwelt gestellt werden, habe ich gelernt, meine Beobachtungen und die daraus resultierenden Unterstützungsentscheidungen an die Zeit des Baumes anzupassen – die Geduld, die es dem Baum erlaubt, seine eigenen Fähigkeiten zum Selbstmanagement zu verwirklichen.

In Luzern steht eine wunderschöne historische Lindenbaum – eine Tilia platyphyllos – die seit 1880 einen der Eingänge zur Vierwaldstättersee-Promenade ziert. Im Jahr 2008 wurde ein Grossteil des strukturellen und feinen Wurzelwerks der über 120 Jahre alten, gesetzlich geschützten Linde durch ein Bauprojekt schwer beschädigt, bei dem eine Reihe von unterirdischen Installationen – Gas-, Strom- und Wasserleitungen, ein Abwassereinlass von einem angedockten Touristenboot und ein Werbekiosk – verlegt wurden. Darüber hinaus wurde der Wurzelbereich der Linde im Laufe der Jahre zum Abstellen von Fahrrädern, Motorrädern, Dutzenden von Weihnachtsbäumen sowie von Dienstfahrzeugen der Stadtgärtnerei genutzt, die durch den kritischen Wurzelbereich fuhren und den Boden vollständig verdichteten, was zu weiteren Schäden an den Wurzeln und damit am gesamten Baum führte. Unnötig zu erwähnen, dass sie sich in einem starken Niedergang befand. Da die geschädigten Wurzeln nicht in der Lage waren, genügend Wasser in die obere Krone zu leiten, kam es zu einem massiven Triebsterben und als Folge von Schnittmassnahmen in diesem Kronenbereich entwickelte die Linde eine saprophytische Pilzerkrankung an den Schnittstellen.

Der GESAMTE Schaden und die Folgen daraus entstanden dadurch, dass ein gesetzlich geschützter Baum während invasiver Bauarbeiten ungeschützt war und dessen Erde mit einer Chaussierung – ein Landschaftsmaterial, das mit der Zeit seine Durchlässigkeit verliert und so den lebenswichtigen Sauerstoff- und Feuchtigkeitsaustausch verhindert – in eine völlig verdichtete, undurchlässige und mit kleinen Steinen bedeckte Oberfläche verwandelt wurde, anstatt mit einer organischen Schicht, die den Boden und damit den Baum ernähren würde. Dieser Baum wurde in den Verfall misshandelt.

Aufgrund meiner eigenen Beobachtungen überlegte ich, was ich tun könnte, um dieser Linde zu helfen, sich selbst zu helfen. Das von mir konzipierte und überwachte Projekt zur Wurzelbelebung und Bodensanierung hat dieser nun über 143 Jahre alten Linde zu neuem Leben verholfen. Sie hat den Verlust von Teilen der Krone durch Adventivwachstum entlang des Stammes kompensiert, was nur möglich war, weil es nun eine lebendige Bodenumgebung gab, die die Stoffwechselprozesse in der Wurzelzone und die daraus resultierenden Baumfunktionen unterstützte. Die Blattfläche hat zugenommen und die Blattfarbe ist ausgezeichnet. Die Anweisungen für die Behandlung von Totholz verlangten, dass alle Schnitte innerhalb des Totholzes bleiben sollten, um keine neuen Wunden zu schaffen, die die Pilzerkrankung verstärken würden.

6. Ihr Buch führt uns durch den Diskussions-, Planungs- und Umsetzungsprozess und bewertet sorgfältig mehrere Beispiele aus der Praxis in verschiedenen Ländern für jeden Schritt. Die Beteiligung der Öffentlichkeit scheint ein entscheidender Aspekt zu sein, wie Sie aus direkter Erfahrung wissen. Was sind für Sie die Schlüsselelemente? Glauben Sie, dass sich die Dynamik zwischen öffentlichen und privaten Stellen wesentlich verändert hat?

Da ich inmitten des Urban Forest arbeite, gehe ich bei seiner Bewirtschaftung davon aus, dass dieser allen gehört. Wir alle sind Teil dieses urbanen Ökosystems und wir alle sind ein wesentlicher Bestandteil seiner Planung und Verwaltung aus einer INFORMIERTEN Perspektive. Ausserdem, wie ich in meinem Buch schreibe: „…wir müssen feststellen, dass der Urban Forest, über den wir sprechen, nicht irgendwo da draussen beginnen sollte – ein Ort irgendwo in der Ferne, wohin wir gehen können, um uns von unserer Urbanität zu erholen. Diese Aussage soll nicht den unglaublichen Wert von Wäldern oder anderen Aspekten der natürlichen Umwelt schmälern oder andeuten, dass wir diese Räume nicht passiv und mit Respekt für alle Bewohner geniessen sollten. Der Schutz und die Erhaltung natürlich vorkommender Ökosysteme ist für die Existenz des Planeten Erde und aller seiner Bewohner von entscheidender Bedeutung. Aber viele von uns haben nicht die Möglichkeit oder die finanziellen Mittel, um die magischen Grünflächen und Orte zu betreten, die es da draussen gibt. Da der Urban Forest allen gehört, sollte er auch für alle da sein, angefangen bei dem Ort, den wir unser Zuhause nennen. Unsere Strassen sollten Orte zum Verweilen sein, und nicht Orte, an denen man auf dem Weg zur Erholung vorbeifährt. Der Urban Forest muss vor der Haustür eines jeden Menschen beginnen, in der Nachbarschaft eines jeden Menschen, als ein lebendiger Teil unserer Gemeinschaft. Und so wie wir Entscheidungen über das Innere unseres Hauses treffen, könnten wir das, was hinter der Tür liegt, als das Äussere unseres Hauses betrachten, aber dennoch als unser Zuhause, denn ist es nicht das, was eine Nachbarschaft ausmacht?«

Warum ist ein informierter, partizipativer Ansatz für die Bewirtschaftung so wichtig? Der Beweis liegt immer im Detail, und wenn wir mit aufgeklärten Augen durch eine Stadt gehen, können wir sehen, dass unsere Stadtbäume kämpfen und leiden und selten gedeihen. Viele der Behörden und Abteilungen, die für die Pflege des städtischen Baumbestands zuständig sind, sind unterfinanziert und personell unterbesetzt, und die Stimme, die für Bäume spricht und am Planungs- und Entwurfstisch sitzen sollte, wird selten eingeladen, was zu vielen der späteren Pflegeanforderungen führt. Eine informierte Bürgerschaft kann oft den entscheidenden Unterschied ausmachen. Initiativen zur Übernahme von Stadtbäumen konzentrieren sich oft auf die Pflege des offenen Bodens rund um den Baum am Strassenrand, der in die Aussparung im Bürgersteig gepflanzt wurde (oft als Baumgrube bezeichnet). Solche sachkundigen Bürgerinitiativen haben auch zu einer Vergrösserung dieser offenen Bodenfläche geführt, die ein gesünderes Wachstumsumfeld bietet, was wiederum zu einem gesünderen Baum führt, der weniger Pflege benötigt. Die wichtigsten Zutaten sind Informationen, Wissen und die Bereitschaft der Baumexperten, dieses Wissen in verständlicher Form weiterzugeben. Dieser Austausch führt zu einer wesentlich grösseren Anzahl informierter Personen, die bei missbräuchlichen Bauprojekten eingreifen und in der Planungsphase von Nachbarschaftsprojekten, die die räumliche Entwicklung in baumreichen Landschaften, die Auswahl von Baumpflanzungen, Regenwasserbewirtschaftungsanlagen und vieles mehr umfassen, einen gemeinschaftsbasierten Beitrag leisten können. Es regt auch an, sich an der Basis für Bäume einzusetzen, um schlechte politische Entscheidungen, die die grün-blaue Ressource untergraben, abzuschwächen.

Ihre Frage „Hat sich etwas geändert”??? Leider nicht genug. Viele der mit der Betreuung zuständigen Behörden sehen die Beteiligung der Bürger eher als Hindernis denn als Hilfe an. Sie haben nicht begriffen, wie sehr sie diese informierten helfenden Hände, Augen und Stimmen brauchen.

7. Sie haben in New York und jetzt in der Schweiz gelebt und gearbeitet. Wie sieht die Praxis der Urban Forestry in beiden Ländern aus, insbesondere im Hinblick auf das Engagement der Bürger und die Rolle der privaten Akteure? Haben Sie Vorschläge für Verbesserungen?

Da die über fünf Jahrzehnte lange Forschung im Bereich Urban Forestry und die daraus resultierenden Standards und Best Management Practices hier nicht gelehrt werden und nicht existieren, gibt es Urban Forestry als Praxis in der Schweiz nicht wirklich.

Hinzu kommt, dass die Beteiligung der Schweizer Bürger hier in der Schweiz einige zusätzliche Komplikationen mit sich bringt. Viele Schweizerinnen und Schweizer sind der Meinung, dass sie die Behörden und Ämter dafür bezahlen, dass sie die Arbeit machen, warum sollte also ein Bürger deren Arbeit erledigen? Ich sehe die Lösung aus verschiedenen Blickwinkeln. Erstens gärtnern viele Schweizer Bürger gerne, entweder auf ihrem eigenen Grundstück, als Pächter eines Schrebergartens, eines Kleingartens oder als Teilnehmer an einem Gemeinschaftsgartenprojekt. Das wäre definitiv eine Möglichkeit, sich zu engagieren und Wissen darüber zu vermitteln, wie man am besten in einer baumreichen Landschaft gärtnert – warum Bäume wichtig sind, was einen Baum zu einem Baum macht und was Bäume brauchen, um wirklich der Baum zu sein, der sie sein sollen. Dies kann über die Website der Gemeindeverwaltung oder noch besser über eine wöchentliche Ratgeber- oder FYI-Kolumne in der Lokalzeitung geschehen.

In dem Moment, in dem wir bereit sind, mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen, schaffen wir ein Bindegewebe, das zu einem grösseren Engagement führen kann. Entscheidend ist, dass die Strategien, die zur Entwicklung dieser Programme eingesetzt werden, eine kulturelle Grundlage haben, verbunden mit einem echten Interesse an der Verbesserung der Umwelt für jeden Einzelnen und für alle.

8. Was ist Ihre schönste Erinnerung an Ihre Arbeit? Welches Projekt hatte Ihrer Meinung nach eine grössere Wirkung (und warum)?

Ich habe meine Kontakte mit der Öffentlichkeit in NY City sehr geschätzt. Viele entmachteten Gemeinden in New York City hatten ein echtes Interesse daran, ihre Lebensbedingungen zu verbessern, nicht nur in ihren Häusern, sondern auch in ihren Stadtvierteln. Sie begrüssten bereitwillig meine erfahrenen helfenden Gedanken und Hände, um ihre inspirierten Ideen zu unterstützen, die immer als „wir» könnten dies oder jenes tun angeboten wurden.

Diese Liebe zu Bäumen wurde während des Befalls mit dem Asiatischen Laubholzbockkäfer (ALB, für Asian Longhorned Beetle) deutlich, als Herr Ingram Carter, ein Bewohner von Greenpoint Brooklyn, den ALB zum ersten Mal entdeckte. Herr Carter war besorgt, dass jemand den vor seinem Haus gepflanzten Spitzahorn durch Bohrlöcher entlang des Stammes mutwillig zerstörte. Sein Entschluss, Detektiv zu spielen, führte dazu, dass er nicht herausfand, wer, sondern was, und dass er dieses sehr exotische, hochgradig invasive holzbohrende Insekt einfing. Carters Entdeckung des ALB „… war der Auftakt zu einem sehr langen, langwierigen Krieg gegen ein Insekt, das sich seinen Weg von Asien in die USA, nach Kanada und Europa in unbehandelten Holzpaletten gebahnt hat und dessen Wirtsliste fast alle stadtverträglichen Baumarten umfasst. Nachdem Tausende von befallenen Bäumen aus den städtischen Wäldern von New York entfernt worden waren, wurde schmerzlich deutlich, dass dieses Problem nicht ohne zusätzliche informierte Augen angegangen werden konnte. Ich schlug vor, ein ALB-Aufklärungsprogramm für die Einwohner von New York City zu entwickeln, und erhielt dafür Bundesmittel. Ziel des Programms war es, alle Einwohner von New York City über den ALB zu informieren und ihnen zu zeigen, wie sie helfen können – ein kurzfristiges, krisenbedingtes Ziel.

ALB-Projekt in New York
Beispiele für Materialien aus dem ALB-Projekt in New York. Bilder: N. Zürcher

Aber auch, um die Katastrophe in einen positiven Langzeitnutzen umzuwandeln – um ein echtes Bewusstsein für Bäume und ein Gefühl der Verantwortlichkeit zu fördern. Anstatt die Bäume der gesamten Stadt auf ALB zu untersuchen, hoffte ich, stattdessen die bereits bestehende Beziehung zwischen den Menschen und den Bäumen, mit denen sie vertraut sind, zu vertiefen – sie dazu zu bringen, den Baum vor dem Haus, in dem sie leben, zu beobachten, die Bäume, an denen sie jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit, beim Spaziergang mit dem Hund oder auf dem Weg zum Supermarkt vorbeikommen. Ihre Bäume!!!

Das vielfältige, umfangreiche Programm, das ich entwickelt hatte, sollte eine möglichst breite Basis ansprechen. Seine Umsetzung wurde durch die Hilfe eines wunderbaren Teams von Partnern aus Bundes- und Landesbehörden, gemeinnützigen Einrichtungen, lokalen Mandatsträgern und dem privaten Sektor ermöglicht…» und umfasste:

  • ein Programm zur Schulung von Trainern (“train-the-trainer”) unter Verwendung eines Beetle Buster Toolbox-Präsentationskits;
  • eine Broschüre “Living & Working in an Asian Longhorned Beetle Quarantine Zone” (Leben und Arbeiten in einer Quarantänezone des Asiatischen Laubholzbockkäfers), die über Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden sowie als Rechnungsbeilage von Con Edison, dem wichtigsten Stromversorger von New York, an Millionen von Haushalten in New York City verteilt wurde;
  • eine ganztägige Konferenz „Battling the Beetle: How to stop your neighborhood tree terminator» für Fachleute und Bürger aus Quarantänezonen, die von Con Edison finanziert und ausgerichtet wurde;
  • ein veröffentlichtes Hilfsmittel mit dem Titel “Suggested Woody Substitutes for ALB“ (Vorgeschlagene Ersatzgehölze für den ALB) für Landschaftsarchitekten und -gestalter, um ihnen die Verwendung von Ersatzgehölzen für ALB-Wirtsarten zu erleichtern;
  • ein “Beetle Buster” Patch-Programm für Brownie-, Junior-, Cadette- und Senior Girl Scout Troops – mit Beetle Buster-Schulung, Entwurf und Zusammenstellung von 25 ALB Preferred Host Herbaria für die 25 ursprünglichen Toolbox-Empfänger sowie ALB-Aufklärungsaktivitäten in Quarantänegemeinden;
  • die Greenpoint Counts Trees Because Trees Count Bauminventur, an der neben geschulten Bürgern auch Baumpfleger beteiligt waren, die ihre Zeit zur Verfügung stellten. Ziel der Bestandsaufnahme war es, festzustellen, welche Baumarten in der Gemeinde Greenpoint noch vorhanden sind, und zwar sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich, und wie viele Bäume jeder Art in welchem Zustand (mit professioneller Bewertung) vorhanden sind, sowie die Anzahl der verfügbaren Pflanzflächen für die Ersatzpflanzungsinitiative.

«Das ALB NYC Public Outreach Program und seine sehr bescheidenen finanziellen Mittel haben über dreitausend Menschen geschult und durch seine vielfältigen Aktivitäten mit Zehntausenden von Einwohnern direkt Kontakt aufgenommen. Das Con Edison Bill Stuffer Mailing erreichte Millionen von Einwohnern von New York City, alles durch gespendete Dienste. Die Leute behielten die ALB-Broschüre noch jahrelang, nachdem ALB nicht mehr in den Schlagzeilen war, und riefen mich oft an, wenn sie Fragen oder Sorgen zu Bäumen hatten.

Ein wichtiges Ergebnis des lokalen Strategieplans des Community Board 1 war die Entwicklung eines gemeinschaftsbasierten Bildungsprojekts, das auch Lehrpläne für Schulen umfasst. Darüber hinaus bildeten die entstandenen Partnerschaften und informierten Bürgerverbindungen die Grundlage für eine Zusammenarbeit, die auch heute noch besteht, und zwar durch Interessenvertretung und Übernahme von Verantwortung für unsere Bäume in der Zeit ihrer Not. Die Greenpoint-Gemeinde hat diesen Geist der Basisverantwortung durch das vorbildliche Greenpoint Tree Corps-Programm vorgelebt.

Katastrophen haben das aussergewöhnliche Potenzial, das Beste in uns hervorzubringen. In Krisenzeiten schliessen sich Gemeinschaften zusammen und helfen sich gegenseitig, insbesondere bei Naturkatastrophen wie Erdbeben, Wirbelstürmen und Tornados. Das gilt auch für Katastrophen, die unsere Bäume bedroht haben. Es ist tragisch, wenn ganze Baumgebiete durch ein natürliches oder unnatürliches Ereignis verwüstet werden, aber es muss nicht bei einer Tragödie bleiben. Das Negative kann den Grundstein für eine massive Zusammenarbeit der Akteure legen, die Partnerschaften und gestärkte Gemeinschaften ermöglicht.» (Zitate aus dem Buch Zürcher 2022)

Meine Arbeit am NYC Public Awareness Program für den Asiatischen Laubholzbockkäfer hat das Beste von uns in Bezug auf unsere Stadtbäume aufgezeigt.

Naomis Praxis als ihr Alter Ego Arbor Aegis, benannt nach dem «Schutzschild» der römischen Göttin Diana für die von ihr bewachten Wälder, bietet Planungs- und Managementunterstützung für Stadtbäume – verwurzelte Lebewesen, sowie ihren Lebenspartner, der Boden – im Kontext ihrer Verbindung mit Menschen und der gebauten Umwelt. Beispiele aus ihrer Praxis sind: die Entwicklung und Umsetzung von Programmen zur partizipativen Verwaltung von Urban & Community Forestry für Jugendliche und Erwachsene; die Formulierung und Umsetzung eines ökologischen Ansatzes für die Raumentwicklung unter dem Motto «Bauen MIT Bäumen» mit entsprechenden Vorgaben für den Baum- und Landschaftsschutz sowie die Überwachung und Durchsetzung von Vorschriften in den Design- und Bauteams grosser öffentlicher Infrastrukturprojekte.